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vom 06.08.2017 - Autor: Marco Neumann

Das vergangene Jahrhundert war geprägt von Informationen. Immer mehr Informationen waren immer mehr Menschen immer einfacher zugänglich geworden. Die beherrschenden Fragen waren "wahr" oder "falsch". Wenn man etwas "wissen" wollte, besorgte man sich die "wahre" Antwort auf seine Frage - erst in einem Lexikon, danach im Internet. Und dann "wusste" man etwas. Doch mit dem Ende der Moderne löste sich auch die Illusion objektiv handelnder Autoritäten auf. Stehen nicht hinter allem Menschen? Menschen mit eigenen Interessen? Wer sagt denn, dass die Information in meinem Lexikon "wahr" sind und nicht bloß eine geschickt erdachte Intrige, die den Interessen des Verlagskonsortiums dient?

Im Zeitalter des Internets wuchs die Bedeutung dieser Frage exponentiell an. Egal ob religiöse, politische, wissenschaftliche oder wirtschaftliche Schriften: überall findet man Menschen, überall findet man auch gegensätzliche "Informationen", überall müssen regelmäßig Irrtümer eingestanden oder verdrängt werden. Und spätestens seit "alternativen Fakten" und "Fake News" ist es jedem klar: "wahr" und "falsch" sind nicht leicht zu unterscheiden. Worauf soll man sich noch verlassen?


Worauf soll man sich noch verlassen?


Die starke Betonung des Verstandes, die uns seit der Aufklärung begleitet und die viele gute Entwicklungen beflügelt hat, kommt nun an ihre Grenzen. So sehr man seinen Verstand auch bemüht, es ist sowohl zeitlich wie technisch unmöglich, alle "Informationen" selbst zu überprüfen. Und selbst wenn man einen Flatearther in ein Raumschiff steckte und ihn sich im Weltall davon überzeugen ließe, dass die Erde keine Scheibe ist, könnte er immer noch behaupten, dies sei ein visueller Trick der NASA. Es gibt, um es ganz klar zu sagen, in vielen Bereichen keine Möglichkeit, zwischen wahr und falsch zu unterscheiden. Und erwartungsgemäß haben Verschwörungstheorien aller Art dieser Tage Hochkonjunktur.

Wie geht es aber weiter? Unwahrscheinlich ist, dass Versuche erfolgreich sein werden, Desinformationen zu bekämpfen. Wieso sollten gerade solche Kampagnen Erfolg haben, wenn sich eh kaum etwas wirklich nachprüfen lässt?


Unwahrscheinlich ist, dass Versuche erfolgreich sein werden, Desinformationen zu bekämpfen.


Wahrscheinlicher ist, dass "Informationen" an Wert verlieren, da sie keineswegs verlässlich sind. Damit wird auch die Frage nach "wahr" oder "falsch" an Bedeutung verlieren. Diskussionen darum sind jetzt schon sinnlos und meist unentscheidbar. Warum sollte man sie also führen? Interessant ist, was an deren Stelle treten wird. Wahrscheinlich wird es persönliche Erfahrung sein und die Frage des "Warum?“ - und zwar anders begründet als "weil es wahr ist". Warum hast Du Dich entschieden, die "Informationen" darüber zu glauben, dass die Erde eine Scheibe ist? Warum glaubst Du Trumps "Fakten" und nicht anderen? Inwieweit hat das wünschenswert Einfluss auf Dein Leben? Was macht das mit Dir?

Die Gespräche darüber dürften interessant werden, wenn dieser "wahr" / "falsch" Anspruch wegen seiner Sinnlosigkeit endlich ganz fallengelassen wird. Wenn man sich darüber unterhalten muss, was dieser "Glaube", den man da für sich gewählt hat, mit einem macht. Wenn man erkannt hat, dass der eigene Glaube objektiv nicht wahrer ist als der Glaube von jemand anderem. Egal ob es um Religion, Wissenschaft, Politik oder Wirtschaft geht.


Wahrscheinlich wird es persönliche Erfahrung sein und die Frage des "Warum?“ - und zwar anders begründet als "weil es wahr ist". 


Wir leben in einer Zeit, in der Menschen innerhalb einer Gesellschaft in vollkommen unterschiedlichen "Filterblasen" leben, mit vollkommen unterschiedlichen Vorstellungen, "Informationen" und Gedankengebäuden zu den Fragen des Lebens. Wir müssen es schaffen, wieder miteinander ins Gespräch zu kommen. Und das wird auf der "wahr" / "falsch" - Informationsebene nicht funktionieren. Versuche auf dieser Ebene enden regelmäßig in Polemik und Beschimpfungen. Was wir brauchen ist eine andere Ebene der Kommunikation. Und diese Ebene wird vermutlich eine Ebene des Glaubens sein: "Warum hast Du Dich entschieden, gerade diese 'Informationen' zu glauben?" Wir werden diese Ebene finden, weil wir müssen. Je mehr wir uns dessen bewusst sind, umso eher werden wir es schaffen.

Eigentlich könnten gerade Glaubensgemeinschaften bei diesem Prozess helfen - sollten sie doch eigentlich auf diesem Gebiet viel Erfahrungen gesammelt haben. Leider zeigt die Realität, dass auch dort häufig nur eine religiöse Form des modernen und auslaufenden Grundanliegens zu finden ist: Nämlich die "Wahrheit" des eigenen Glaubens beweisen zu wollen.

Text von: Marco Neumann


 

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